Von einer, die auszieht, die Welt zu entdecken – Interview mit Ute von bravebird.de
Ute von bravebird.de wird im Juli ihre Zelte in Deutschland abbrechen und eine Reise ohne Ziel und Endpunkt antreten. Erfahrt hier, was sie vorhat, was sie dazu bewogen hat und welche Erfahrungen sie sonst noch auf ihren Reisen gemacht hat.
Hallo Ute,
Worüber blogst du und was ist dein Schwerpunkt?
Ich reise seit etwa acht Jahren überwiegend alleine durch die weite Welt und möchte mit meinem seit etwa einem Jahr altem Blog Anreize für ferne Länder geben und Leser davon überzeugen, dass die Alleinreise eine wertvolle Erfahrung sein kann. Mittlerweile schreibe ich auch verstärkt darüber, wie sich das Reisen auf das eigene Leben auswirken kann. In meinem Fall ist es der bevorstehende Ausstieg aus der Arbeitswelt und der Einstieg in eine mir noch unbekannte, neue Welt – ein Abenteuer, auf das ich mich sehr freue.
In einem Blogpost berichtest du, dass du bald deine Zelte in Deutschland abbrichst und eine Reise mit offenem Ende antrittst. Hast du schon einen (groben) Plan, wo es hingeht?
Der Plan war von Anfang an, nichts zu planen. Ich habe mich über 16 Jahre lang an feste Zeitpläne und Termine halten müssen und Sinn der Sache ist für mich jetzt, einfach mal nicht zu wissen, was am nächsten Tag passiert. In den Tag hineinleben zu können, Zeit zu genießen und den Gedanken freien Lauf zu lassen – und das alles ohne schlechtes Gewissen oder Druck von all den unerledigten Dingen im Büro – ist ein lang ersehnter Traum, der sich dann bald endlich erfüllen wird. Natürlich gibt es Ideen, wo es hingehen könnte, aber das entscheidet sich erst kurz vor dem Moment, wenn ich im Büro meinen Stift fallen lassen werde.
Hast du Angst?
Ehrlich gesagt freue ich mich so sehr darauf und bin auch fest davon überzeugt, dass es der richtige Weg ist, weshalb ich Ängste jeglicher Art verdränge. Dennoch plagt mich ständig mein Gewissen mit Zweifeln, die man wahrscheinlich als Existenzangst bezeichnen würde. Mein größeres Problem ist vielmehr das Loslassen von vielen lieb gewonnenen, materiellen Dingen, an denen ich bisher trotz fortschreitender Zeit festhalte.
Und wie ist das mit dem Geld? Wie finanzierst du die Reise? Hast du gespart oder möchtest du während der Reise arbeiten?
Irgendwie ist es verrückt, dass ich zwar einerseits dem Materialismus den Rücken kehren möchte, andererseits aber natürlich weiß, dass es ganz ohne Geld auch nicht geht. Ich lege seit ein paar Jahren Geld zurück und werde dann im Juli mit irgendeiner fünfstelligen Summe aufbrechen. Ziel wird es sein, mit so wenig Geld wie nötig auszukommen und herauszufinden, wie viel Geld man eigentlich zum Leben braucht. Ich werde aller Voraussicht nach immer ein wenig Geld durch Online-Arbeit verdienen, aber in erster Linie möchte ich mich erstmal meinen Hobbys widmen, für die bisher immer zu wenig Zeit da war: Seit vielen Jahren träume ich zum Beispiel davon, ein Buch zu schreiben. Und auch die analoge und digitale Fotografie und das Filmen möchte ich gern weiter ausbauen.
Du nimmst auch deinen Hund mit. Wie muss man sich das vorstellen? Schlaft ihr zusammen in einem Zelt? Und gibt es da nicht Hürden bei der Einreise?
Um ehrlich zu sein, weiß ich das noch nicht so genau. In den meisten Ländern brauche ich für ihn einen internationalen Impfpass. Da er mit stattlichen 13 Jahren schon ein ziemlich alter Herr ist, kann ich ihm nicht so viel zumuten und Länder mit Quarantäne kämen auch nicht in Frage. Aber ich bin sicher, dass ich eine gute Lösung finden werde.
Was war dein bisher schönstes Erlebnis auf Reisen?
Schwer zu sagen, da es so viele tolle Ereignisse gab. Die schönsten Momente sind eigentlich meist die ganz einfachen. Zum Beispiel, wenn man im Hochland von Vietnam bei einem Homestay mit einer alten Frau zahlreiche selbstgebrannte Schnäpse trinkt, ohne dass man sich mittels Sprache verständigen kann. Oder wenn man tief in der Wüste Zeit mit einer Beduinenfamilie verbringt und die fünf Kinder einen anflehen, mit in ihrem kleinen Zelt zu übernachten. Aber klar gibt es auch unvergessliche Momente wie Silvester in Sydney oder der nach vier anstrengenden Trekking-Tagen ersehnte Anblick des Machu Picchu bei Sonnenaufgang.
Was war das verrückteste/außergewöhnliche, dass du auf Reisen bisher gemacht hast bzw. dir passiert ist?
Alleinreisend erlebt man eigentlich ständig außergewöhnliche Dinge, weil man immer mit Einheimischen oder Mitreisenden im direkten Kontakt steht. Da ich Abenteuer liebe und keine hohe Angstschwelle habe, kommt da so einiges zusammen. In Tibet bin ich zum Beispiel mal nachts mit zwei Jungs hoch oben auf einem Berg in eine Burg eingebrochen… bis dann ein Wächter mit zwei Hunden kam, der uns Gott sei Dank nur rausgeworfen und nicht zur Polizei gebracht hat.
Was war dein schlimmstes Erlebnis?
Zuletzt die schockierende Anzeige der Waage, die mich darauf hinwies, dass ich auf Jamaika fünf Kilo zugenommen hatte.
Hast du Fehler gemacht? Bei der Planung oder auf der Reise? Was würdest du anders machen?
Mir ist in den vergangenen Jahren immer auf den Zeiger gegangen, dass ich bei meinen 2- bis 4-wöchigen Reisen nie genügend Zeit hatte, um ein Land intensiver kennenzulernen. Ich habe zwar immer viel gesehen und erlebt, aber für einen tieferen Einblick hinter die Kulissen muss man einfach länger an einem Ort bleiben können. In Sachen Planung habe ich früher alles vorab gebucht und mich vorher intensiv mit Land und Route beschäftigt – heute plane ich meist nur den Flug und lasse dann vor Ort das Schicksal entscheiden. Beides hat Vor- und Nachteile. Wenn man nicht viel Zeit hat und viel sehen möchte, finde ich die Buchung vor der Reise grundsätzlich besser, damit man im Reiseland nicht ständig im Internet abhängen und buchen bzw. recherchieren muss.
Gibt es einen Gegenstand, den du auf Reisen immer dabei hast?
Ja. Sofern ich nicht nur in einem Luxus-Hotel übernachten werde (was auch selten vorkommt), habe ich immer ein Travelsheet dabei. Das ist ein hauchdünnes, insektenabwehrendes Inlett aus Seide, das über dem Kopfkissen und auf der Matratze liegt und wenigstens eine kleine Distanz zwischen fremden Sekreten oder kleinen Lebewesen und meinem Körper schafft.
Liebe Ute, vielen Dank für das Interview. Ich wünsche dir eine tolle Reise.
Robin
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